1. Das Arbeitmaterial und die Arbeitsvorbereitung
Welches Garn ist geeignet?
Beim Nadelbinden wird mit einer Nadel und einem Stück Faden gearbeitet. In der Vergangenheit wurden fast ausschließlich Garne aus Schafwolle zum Nadelbinden verwendet. Dadurch konnten die Einzelfäden mittels Spleißen und anschließendem Filzen angestückelt werden und wurden dann im fertigen Stück zu einem durchgehenden Faden.
Am Anfang ist es ratsam helles filzfähiges Dochtgarn in Nadelstärke 3 – 5 zu verwenden. Im Handel erhältlich als Strickfilzwolle.
Andere gezwirnte und filzfähige Garne sind ebenfalls geeignet.
Welche Nadel ist geeignet?
Die Nadeln waren anfänglich aus Naturmaterialien wie Holz, Knochen- und Hornmaterial gefertigt. In Zeiten der Metallverarbeitung wurden sie auch aus Metall, heute sogar aus Kunststoff gefertigt. Ein Beispiel aus Amerika, dort werden Nadeln aus einem Zahnbürstenstiel gefertigt. Damit entstehen die in Nadelbindung gefertigten Teppiche aus Stoffstreifen, die sogenannten „Toothbrush Rugs“ , deutsch: „Zahnbürsten-Teppiche“.
Die Größe der Nadel ist je nach Material variabel von 5 bis 12 cm in der Länge, von 2 mm bis 12 mm in der Breite bei einer Dicke von 1 bis 5 mm. Die Form ist flach, am unteren Ende abgerundet, zur Spitze hin schmal zulaufend mit einer kugeligen Spitze, wie bei Wollnadeln üblich. Runde Nadeln waren fürs Nadelbinden nicht üblich, allerdings hatten ältere finnische Nadeln aus Wacholderholz eine rund zulaufende Spitze.
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Meine erste 10 cm lange Nadel habe ich aus einem Buchenholzrundstab vom Baumarkt gefertigt. Zuerst habe ich den Rohling mit einem kleinen Schweizer Messer flach geschnitzt, die Spitze und das Ende auch damit geformt. Das Öhr ebenfalls mit der Messerspitze eingeschnitzt und die Nadel dann noch mit Schmirgelpapier glatt geschliffen. Nadeln aus Eisstielen haben sich nicht bewährt, weil sie aus minderwertigem Holz bestehen, das leicht zum Splittern neigt.
Das Einfädeln
Am Anfang sollten für die ersten Übungsstücke nicht zu lange Fäden genommen werden, es reichen 1 bis 1,5 m Länge. Der Faden wird so eingefädelt, dass ein Ende länger ist.
Später kann auch mit längeren Fäden bis cirka 6 bis 8 Meter, je nach Garnstärke und Größe des Nadelöhrs, gearbeitet werden.
Wie funktioniert so ein Mehrfacheinzug?
Der lange Faden wird vorher in Zickzack gelegt, ein Fadenende ist auch hierbei länger. Dann werden die Schlaufen, die sich am gegenüberliegenden Ende des längeren Fadenendes liegen, zusammen eingefädelt und auf gleiche Höhe mit den übrigen Schlaufen gezogen.
Es kann auch ein kürzerer Faden mit nur einer Schlaufe eingefädelt werden, Die eingefädelte Schlaufe wird hierbei mit dem kürzeren Fadenende gleichgezogen.
Ist der Arbeitsfaden, das längere Ende des Mehrfacheinzugs, während der laufenden Arbeit zu kurz geworden und soll er nachgezogen werden, ist es ratsam die Fadenbündel wieder wie zu Anfang langzulegen und dafür zu sorgen, dass sich nur die Schlaufe verkleinert, an der mit dem Arbeitsfaden gezogen wird.
Ich nenne diesen Vorgang auch gerne:
„Die wundersame Fadenverlängerung durch Verkleinerung einer Schlaufe.“
Anmerkung:
Nadeln mit mehreren runden Löchern als Nadelöhre sind zum Mehrfacheinzug weniger gut geeignet. Der Einzug von 3 oder 4 Garnschlaufen einzeln in ein kleineres Öhr ist umständlicher, als alle Garnschlaufen zusammen in ein Öhr einzufädeln. Man glaubt vorher gar nicht wie enorm sich mehrere Garnschlaufen aus Wollgarn zum Einfädeln zusammendrücken lassen. Auch ein mehrfaches Einfädeln in ein Öhr, in dem man immer wieder das Fadenende ins Öhr neu einfädelt hat sich in der Praxis bei mir nicht bewährt.
2. Der Anfang nach meiner neuen Methode
Jetzt fangen wir an, Schritt für Schritt und ohne Hast. Für die ersten Übungsstücke einen ca. 1,00 m langen Faden mit der Schere ablängen und in die Nadel einfädeln, dabei ist das eine Ende des Fadens länger als das andere.
Herstellen der Anfangsposition für den Oslogrundstich
Ein einfacher offener Knoten in das längere Ende des eingefädelten Fadens ist die Anfangsschlinge.
Zuerst die Anfangsposition für einen Einerstich
Die Anfangsschlinge lege so um den aufrecht gehaltenen Daumen der linken Hand, dass die Verschlingung sich hinter dem Daumen befindet und der Schlingenbogen in Höhe der Nagelwurzel liegt.
Das kurze lose Ende des eingefädelten Fadens ist der Anfangsfaden, der schaut rechts hinter dem Daumen hervor. Ist dieser lang genug, führe ihn durch einen Zwischenraum zwischen zwei Fingern von der Daumenschlinge weg, damit er beim Nähen nicht stört.
Daumen- und Zeigefingerkuppe berühren sich leicht.
Dies ist die Grundposition für Nadelbindestiche, bei denen der Stich ständig in nur eine rückwärtige Schlinge ausgeführt wird. Der Arbeitfaden bekommt die Nummer 0 (weil noch keine Schlinge vorhanden ist), die vor dem Daumen liegende Schlinge bekommt die Nummer 1.
Anmerkung für Linkshänder:
Linkshänder nehmen die rechte Hand und müssen ab hier seitenverkehrt denken und handeln, oder sie folgen ab hier der Beschreibung und lernen um, wenn sie auch andere Dinge beidhändig können.
Der erste Stich in die erste Schlinge
Daumen- und Zeigefingerkuppe leicht lösen. Führe die Nadelspitze hinter dem Daumen zwischen Daumen und Schlinge diagonal von rechts nach links halb in die Schlinge ein. Der Arbeitsfaden ist dadurch automatisch von der Nadel mit erfasst.
Jetzt schiebe die Nadel halb in die Schlinge ein und nimm mit Daumen- und Zeigefingerkuppe oberhalb der Nadel Tuchfühlung auf. Die Nadel hängt nun in der Schlinge.
Lehne die Nadel an den Zeigefinger an, schlüpfe mit dem Daumen nach unten aus der Schlinge heraus und schiebe mit der Daumenspitze die offene Schlinge nach oben,
nimm mit Daumen- und Zeigefingerkuppe wieder Tuchfühlung auf und halte so die Schlinge in unveränderter Größe offen.
Lasse die Nadel jetzt los und ergreife sie an der Spitze.
Ziehe die Nadel durch die erfasste Schlinge ganz durch und führe Nadel und Faden nicht nach oben, wie beim sonstigen Nähen üblich, sondern zu Dir hin und nach rechts unten.
Dadurch bildest Du die neue Schlinge Nr. 1, die sich bei richtiger Handhabung an dieselbe Stelle legt wo vorher die nach hinten geschobene Schlinge lag.
Wir haben jetzt die Anfangsposition für einen Zweierstich erreicht.
Hier hat der Arbeitfaden wieder die Nummer 0, die neu genähte Schlinge die Nummer 1 (auch vordere Daumenschlinge genannt) und die hinter den Daumen geschobene Schlinge die Nummer 2 (auch hintere Daumenschlinge genannt).
Anmerkung:
Würden wir ab jetzt diesen Grundstich immer nur mit der Schlinge Nr. 1 und dem Abeitsfaden fortlaufend wiederholen, würde sich eine Schlingenkette im Dänischen Stich bilden, einem Einerstich, der auch Knopflochstich genannt wird.
Der erste Stich in zwei Schlingen für den Oslogrundstich
Zuerst Daumen- und Zeigefingerkuppe leicht öffnen, damit die Nadel hinter dem Daumen arbeiten kann, mit der Nadel in die offen gehaltene Schlinge Nr. 2 von vorne einstechen und auf die Spitze der Nadel nehmen,
danach die Nadelspitze von oben an der linken Seite des Daumens führen und die Schlinge Nr. 1 und den Arbeitsfaden Nr. 0 auf die Nadelspitze nehmen. Bei geöffneter Daumen- und Zeigefingerkuppe hat sich die bisherige Schlinge Nr. 2 (die hintere Daumenschlinge) diagonal auf die Nadel gelegt.
Lehne nun die Nadel an den Zeigefinger an, schlüpfe mit dem Daumen nach unten aus der Schlinge Nr. 1 heraus und schiebe sie mit der Daumenspitze nach oben, so dass sie in derselben Größe offen bleibt und sich um den Berührungspunkt von Daumen- und Zeigefingerkuppe legt. Die hochgeschobene Schlinge wird damit zur neuen Schlinge Nr. 2 .
Daumen- und Zeigefingerkuppe haben wiederTuchfühlung oberhalb von der Nadel und halten so die neue Schlinge Nr. 2 offen. Während der ganzen Prozedur blieb die Nadel hinter dem Daumen, ist jetzt zur Hälfte eingestochenund hängt in den durchnähten Schlingen.
Lasse die Nadel jetzt los und ergreife sie an der Nadelspitze , ziehe sie durch die erfassten Schlingen ganz durch und führe Nadel und Faden nicht nach oben, wie beim sonstigen Nähen üblich, sondern zu Dir hin und nach rechts unten.
Dabei bildet sich eine neue Schlinge Nr. 1 und legt sich bei richtiger Handhabung an dieselbe Stelle wie die vorige Schlinge Nr. 1.
Weitere Stiche in der Schlingenkette mit dem Oslo-Grundstich
Wenn ab jetzt die im Kapitel „Der erste Stich in zwei Schlingen“ beschriebene Anleitung fortlaufend wiederholt wird, bildet sich eine Schlingenkette im Oslo-Grundstich.
Durch die Daumenfangtechnik, werden die Schlingen bei stets gleicher Ausführung der Stiche auf dieselbe Größe offen gehalten und müssen nicht sofort nach jedem Stich gordnet werden, auch wenn die Schlingenkette hinter dem Daumen noch geschrumpft und unordentlich aussieht. Das Ordnen der Schlingen erfolgt erst, wenn einige Schlingen gefertigt wurden.
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Zum Ordnen der Schlingenkette wird die hinterm Daumen befindliche Schlinge Nr. 2 gut festgehalten und mehrmals kräftig, ruckartig am Anfangsfaden gezogen. Dadurch ordnet sich das Schlingenkonvolut zu einer gleichmäßigen Schlingenkette und der Anfangsfaden zieht die erste Schlinge zu einem festen Knoten zu. Soll die Schlinge offenbleiben, ist beim Ziehen die offene Anfangsschlinge zu halten.
3. Von der Schlingenkette weiter mit dem Verbindungsstich
Es entsteht ein schlauchartiges Textilstück in Spiralen gearbeitet mit offenen Enden
Als erstes Stück empfehle ich gerne ein einfaches Stück in Runden zu arbeiten. Zum Beispiel Pulswärmer. Dazu formen wir aus der Schlingenkette eine Spirale und beginnen am Anfang der Schlingenkette eine neue Schlingenkette mit einem Verbindungsstich aufzunähen.
Der erste Verbindungstich in eine neue Vorreihe wird stets in 2 Schlingenbögen genadelt.
Danach wird ein Grundstich genadeln. Es ist derselbe Stich wie in der Schlingenkette.
Danach Schlinge Nr. 1 nach oben schieben.
Danach die Nadel durchziehen
Der erste Stich ist fertig. Danach erfolgen auf der Oberkante der Vorreihe die weiteren Stiche im Wechsel mit Verbindungsstich und Grundstich.
Der Verbindungsstich als Normalstich ist in unserem Fall jetzt der Stich top F2 .
Das top F2 bedeutet: top steht für Oberkante der Schlingenkette,
. F für frontal, also von vorne,
2 für zwei Schlingen.
Da wir beim Nadelbinden immer nur eine neue Schlinge in die vorhandenen Schlingen nähen, nehmen wir für den Verbindungsstich top F2, einen noch nicht durchnähten Schlingenbogen und dazu den danebenliegenden zuvor durchnähten, quasi eine „neue“ und eine „alte“ Schlinge aus der Oberkante der Vorreihe.
Nach dem Verbindungsstich mache wieder den Grundstich und ab hier kontinuierlich, Verbindungsstich, Grundstich, Verbindungsstich, Grundstich, usw. bis die gewünschte Länge erreicht ist.
Danach fertige das 2. Stück in derselben Länge und Du hast zwei Pulswärmer.
Eine weitere Idee:
Wenn Du einen Schlauch mit einem Durchmesser von ca. 10 cm und in knapp einer Länge des Kopfumfangs arbeitest und die Schlauchenden mit einfachen Stichen zusammennähst, hast Du ein Stirnband, das die Ohren sehr gut warm hält.
Sicherlich fallen Dir noch mehr schlauchartige Gebilde für andere Zwecke ein.
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4. Geht zwischendurch der Faden zu Ende, was dann?
Es soll ein neuer Faden angestückt werden mit Hilfe von Fadenenden spleißen, heißt beide Faden enden aufdröseln, zusammenfügen, verdrehen und dann zum Filzen befeuchten und reiben.
Das ist die älteste Methode, die natürlich nur gelingt, wenn der Faden aus filzbarem Material besteht. Andere Methoden werden im späteren Verlauf beschrieben.
Der Faden wird wie oben beschrieben eingefädelt und das längere Ende wird dann vom Knäuel abgeschnitten.
Lege die Nadel mit dem eingefädelten Faden auf den Schoß , nehme das länger gelassene Ende des neuen Arbeitfadens und drösel es ca. 2 bis 4 cm in zwei Teile auf, und forme ein Ypsilon. Ebenso behandle den Restfaden am gefertigten Stück. Spätesten jetzt weißt Du warum Du die Fäden vom Knäuel abschneiden solltest, denn abgeschnittene Enden lassen sich besser in zwei Teile aufdröseln.
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Jetzt führe die beiden offenen Enden der beiden Fäden ineinander und lege die Enden jeweils an dem gegenüberliegenden Faden an. Ergreife die beiden angelegten Fadenenden, verdrehe sie in Spinn- bzw. Zwirnrichtung des Faden und befeuchte die verdrehte Stelle.
Zum Befeuchten gibt es die von unseren Vorfahren überlieferte Methode. Die nahmen die zusammengedrehte und gehaltene Stelle in den Mund zwischen die Zähne, schlossen den Mund , Spucke lief automatisch an den Faden und dann bissen sie mit den Schneidezähnen mehrfach fest auf diese Stelle, damit sich zum Filzen die einzelnen Fasern im nassen Zustand nochmal gut vermischen können. Sollte sich die zusammengefügte und befeuchtete Stelle lösen, nachdem sie wieder aus dem Mund genommen wurde, verdrehe sie im feuchten Zustand nocheinmal, halte die angelgten Enden fest, nehme die Stelle nochmal in den Mund und verfestige sie noch einmal mit den Zähnen.
Danach lege sie in die linke hohle Hand und fange an mit dem Handballen der rechten Hand mit leichtem Druck die Stelle vorsichtig zu reiben. Wenn am Anfang mit zu festem Druck gerieben wird, kann das Verfilzen nicht gelingen, weil die Fasern auseinander gerieben werden.
Gerieben wird so lange, bis die Stelle fast trocken ist. Am Ende kann auch die Reibegeschwindigkiet erhöht werden aber der Druck sollte nicht zu groß sein.
Zum Schluss stelle mit einer Zugprobe am zusammengefügten Faden fest, wie fest die Stelle geworden ist.
Heute gehen empflindliche Leute hin, nehmen ein Schälchen Wasser oder ein Sprühfläschchen zu Hilfe und befeuchten und behandeln die zusammen gefügte Stelle nur mit den Händen. Streng genommen, müssten sie sich hinterher jedesmal die Hände waschen.